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  • Hans-Peter Walser

Brief von Hans-Peter Walser, Polizeidirektor a. D.

Aktualisiert: 4. Feb. 2021

Sehr geehrter Herr Wölfle,

mit wachem Interesse habe ich heute der Lokalpresse entnommen, dass dank der gemeinsamen Initiative von Ihnen sowie des ehem. MdL und aktuellen Kreistagsmitglieds Norbert Zeller ein „Unterstützerkreis zur Förderung eines Museums der deutschen Demokratie“ aus der Taufe gehoben worden ist. Für dieses positive Signal verschiedener im öffentlichen Leben stehender Verantwortungsträger aus unserer Region bin ich sehr dankbar. Diese Initiative konterkariert die blickverengende Diskussion, bei der allzu dominant reine, sicherlich wichtige Finanzierungsaspekte ohne jeden Bezug zur zeitgeschichtlichen Realität und einer darauf aufbauenden fundierten Argumentation ins Feld

geführt worden und dadurch für ein solches Projekt bewertungsrelevante Gründe in dem in unserer engeren Region öffentlich gewordenen Meinungsbild leider außer Betracht geblieben sind. Überdies wurden verschiedene Äußerungen nicht denen gerecht, die zu Opfern einer verbrecherischen Agenda der RAF-Terroristen geworden waren. Mit dieser in den Blick genommenen konstruktiven Begleitung kann die legendäre „Landshut“ definitiv am Bodensee ihre geschichtsvermittelnde Heimat finden. Das Ziel liegt greifbar vor Augen, der Weg dorthin war freilich wechselvoll, beschwerlich und hat mitunter sogar Irritationen ausgelöst. Glücklicherweise hatte die Maschine bisher einen kostengünstigen und sicheren „Parkplatz“.

Auch wenn die schon länger zurückliegenden Umstände und Abläufe durchaus Anlass zu berechtigter Kritik geben konnten, sollte es auf dem Hintergrund des nunmehr vorliegenden aktuellen Angebots möglich, ja sogar Ansporn sein, dieses Ziel in Angriff zu nehmen, nicht noch unnötig weitere Zeit zu verlieren, zudem angesichts der Tatsache, dass ungeachtet des Bundestagsbeschlusses andernorts bekanntlich interessierte Kräfte am Werk sind, die sich eine andere Lösung – ohne Friedrichshafen – vorstellen können.

In aller Bescheidenheit betrachte ich mich als Zeitzeuge, der als damals junger Polizeirat am 1. März 1977 die Verantwortung für den Einsatz der Schutz- und ab 1. Januar 1978 auch der Kriminalpolizei unter dem organisatorischen Dach der neu gebildeten Polizeidirektion Friedrichshafen übernommen hatte. In den Monaten davor war ich im Lagezentrum des Innenministeriums BW tätig gewesen, in dem alle sicherheitsrelevanten Informationen und Fäden zusammenliefen. Und so war ich stets über die aktuelle Sicherheitslage bestens im Bilde. Schon damals zeichnete sich ab, dass auch der Bodenseekreis zum „Risikogebiet“ mutierte, weil insbesondere aufgrund der Wirtschaftsstruktur nicht nur bestimmte Unternehmen selbst, sondern auch – um dies im Folgenden anhand einiger weniger Beispiele aufzuzeigen - vornehmlich eine teils wechselnde Anzahl von Firmenverantwortlichen oder speziell von in militärischen Projekten eingebundenen Ingenieuren temporär oder sogar dauerhaft als zum Teil hochgefährdet eingestuft waren. Es war die Ermordung des damaligen MTU-Vorstandsvorsitzenden Dr. Zimmermann zu beklagen. Sein Nachfolger war in Friedrichshafen wohnhaft. Andere Persönlichkeiten mussten aufgrund ihrer Einstufung auch wegen projektbezogener Kooperationen mit französischen Firmen ständigen Personen- und Objektschutz in Anspruch nehmen. In diesem Zusammenhang wirkte sich die Verflechtung der RAF mit der französischen Terrorgruppe „Action directe“ einmal mehr belastend aus. Der Aufenthalt des damaligen Arbeitgeberpräsidenten H.-M. Schleyer wenige Tage vor dessen gewaltsamer Entführung durch RAF-Terroristen an seinem Zweitwohnsitz Meersburg, wo ihm die Angst förmlich ins Gesicht geschrieben stand, und der kalte Mord an ihm auf der Fahrt ins Elsaß vermitteln noch heute einen erinnerungsrelevanten Eindruck, auch wenn es hier keinen unmittelbaren örtlichen Zusammenhang zum Urlaubsort gegeben hatte. Dass die Polizei (nicht nur) im Bodenseekreis tagtäglich mit der Maschinenpistole im Einsatz war, sich dadurch ihr Erscheinungsbild zumal bei den häufigen Öffentlichkeitsfahndungen grundlegend verändert und Auswirkungen auf das öffentliche Leben hatte, ist mit Sicherheit noch vielen Menschen in Erinnerung. Überdies hatte der damalige Landesinnenminister K. Schiess hier seinen Wahlkreis sowie in Überlingen seinen Erstwohnsitz und erhöhte damit das insgesamt bestandene Gefährdungspotenzial. Der 1986 auf die Firma Dornier in Immenstaad verübte Sprengstoffanschlag mit hohem Sach-, zum Glück jedoch ohne Personenschaden machte deutlich, dass auch die nachfolgende RAF-Generation mit diesem mörderischen Kapitel noch nicht abgeschlossen hatte.

Im Kontext zu der von mir nur fragmentarisch rekonstruierten Lageentwicklung und -darstellung Ende der 1970-er bis in die 1980-er Jahre hinein erinnere ich mich noch genau daran, wie ich seinerzeit vor dem Fernseher voller Anspannung die Nachrichten, speziell den Einsatz der GSG 9 im somalischen Mogadischu verfolgte, bei dem die Befreiung der Geiseln aus der „Landshut“ gelungen war. Als sich daraufhin inhaftierte Terroristen in der JVA Stuttgart-Stammheim das Leben nahmen, hatte dies auch zeitnah unmittelbare Auswirkungen auf die im Bodenseekreis zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen. – Mein Erinnerungsreservoir ist keineswegs ausgeschöpft, doch will ich es dabei bewenden lassen.

Für mich steht jedenfalls fest, dass nach meiner Erinnerung damals in unserem Land Baden-Württemberg der Großraum Stuttgart, der Raum Karlsruhe und eben der Bodenseekreis unter terroristischen Gefährdungsaspekten Brennpunkte mit zwar durchaus unterschiedlicher Gewichtung gewesen sind. So gesehen halte ich gleichwohl die Einrichtung eines Museums in Friedrichshafen bzw. im Bodenseekreis, in dem die zeitgeschichtliche Aufarbeitung im Zeichen einer wehrhaften Demokratie zudem als Wegweiser für die politische Zukunft in unserer Republik begreifbar und mit der „Landshut“ als spektakulärem Ausstellungsstück erfahr- bar wird, für sehr sinnvoll und deshalb schon gar nicht für abwegig. Mit Ihrem Entschluss zur Gründung des Unterstützerkreises wurde ein erfolgversprechender Weg eingeschlagen, den mitzugehen ich gerne bereit bin. Ich hoffe und wünsche mir, dass die angelaufenen Bestrebungen in absehbarer Zeit zu einem zielerfüllenden Abschluss gebracht werden können.

Abschließend bitte ich um Aufnahme in den „Unterstützerkreis zur Förderung eines Museums der deutschen Demokratie“ in Friedrichshafen.

Mit freundlichen Grüßen

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